Geposted 31.05.2017

#Ausgefallenes #Färöer

Die Färöer-Inseln Teil 2: Die Legende der Robben-Frau

Die Legenden der Selkies wurden in den Färöer-Inseln, Irland, Nordschottland und Island geboren. Die Selkies sind mystische Kreaturen, die als Robben im Meer leben, jedoch die Fähigkeit besitzen ihre Haut abzuwerfen und als menschliche Wesen auf Erden zu wandeln. Eines der bekanntesten Volksmärchen der Färöer-Inseln ist wohl die Kópakonan-Legende - die Legende der Robben-Frau.

Die Kópakonan-Legende

© Jeffrey Thompson/123RF

Der Mythos besagt, dass Robben einst Menschen waren, die freiwillig den Tod im Meer suchten. Einmal im Jahr, in der dreizehnten Nacht, hatten sie die Erlaubnis das Land zu betreten, sich von ihrer Robbenhaut zu befreien und ihr Menschendasein zu genießen.

Ein junger Bauer aus Mikladalur auf der Insel Kalsoy wollte sich selbst davon überzeugen, ob die Erzählungen wahr sind und entschloss am Strand auf das Ankommen der Tiere zu warten. Den Geschichten getreu erspähte der junge Mann eine Vielzahl an Robben, die sich den Küsten näherten. Die Raubtiere kletterten die Gestade empor, entledigten sich ihrer Haut und entblößten wunderschöne nackte Menschenkörper.

Der Bauer, verzaubert von der Gestalt einer Robben-Frau, wartete bis die letzte Robbe sich ihrer Haut entledigte und der unheimliche Haufen Robben-Menschen verschwunden war. Daraufhin brachte er die Haut der Robben-Frau in seinen Besitz und wartete ab. Währenddessen tanzten die Robben-Menschen auf den Feldern, spielten Spiele und erfreuten sich ihres Menschendaseins.

Die Festlichkeiten zogen sich über die ganze Nacht. Als der Morgen graute, musste die Robben-Meute wieder ins Meer zurück. Allein die Robben-Frau blieb übrig, da sie ihre Haut nicht finden konnte. Der junge Mann, in Besitz ihrer Haut, hatte nun Macht über sie und zwang sie, ihn auf seinen Bauernhof zu begleiten.

Die Robben-Frau blieb zahlreiche Jahre bei dem Bauern und gebar ihm viele Kinder. Um sicher zu gehen, dass sie nicht flüchtete, bewahrte er ihre Haut in einer Kiste auf. Den Schlüssel behielt er immer an seinem Gürtel bei sich. Bis er eines Tages, bei einem Fischerausflug, den Schlüssel zu Hause vergaß. Dieses Missgeschick wurde ihm jedoch zu spät klar. Zu Hause angekommen, war seine Frau verschwunden und tauchte nie wieder auf.

Immer wenn die Kinder des Bauern zum Strand gingen, tauchte ein Robbenkopf im Wasser auf, der Richtung Ufer blickte. Die Leute pflegten zu behaupten, dass es sich hier um die Mutter der Kinder handelte, die selbst nach ihrer Rückkehr ins Meer noch über ihre Sprösslinge wacht.

Die Jahre vergingen und die Robben-Mutter geriet immer mehr in Vergessenheit. Eines Nachts hatte der Bauer aus Mikladalur jedoch einen eigenartigen Traum. Seine ehemalige Robben-Frau erschien ihm und sprach eine Warnung aus. Er solle am folgenden Tag bei der Robbenjagd nicht ihren Robben-Mann und ihre Robben-Kinder töten. Er würde sie erkennen, wenn er sie sehen würde.

Der Bauer ignorierte den Traum jedoch und tötete am nächsten Tag mit seinen Kameraden alle Robben, die sie kriegen konnten. Als sie am Abend die Beute aufteilten, bekam er einen großen Bullen und zwei kleine Heuler.

Abends bereitete der Bauer sich ein köstliches Mahl zu: ein leckeres Gericht aus dem Kopf des Bullen und den Flossen der Heuler. Plötzlich ertönte ein Knall. Die Robben-Frau stand in Form eines zähnefletschenden Trolls mitten in der Küche. Sie schrie und kreischte und sprach hasserfüllt einen grausamen Fluch aus: "Hier liegen der Kopf meines Mannes, die Hand Háreks und der Fuß Fredriks! Dafür soll Vergeltung geübt werden! Die Männer Mikladalurs sollen dafür büßen, was du meinen Liebsten antatest! Manche sollen den Tod im Meer finden, andere sollen von Berggipfeln fallen, solange bis es genug Tote gibt, dass sie händehaltend die Insel Kalsoy komplett umkreisen könnten."

Mit diesen Worten verschwand sie im Sturm und wurde nie mehr gesichtet. Bis heute ertrinken zahlreiche färöische Männer im Meer und stürzen von Klippen. Deshalb besteht nach wie vor die Furcht, dass noch nicht genug Männer starben, um den letzten Willen der Robben-Frau zu erfüllen.

Statue von der Robben-Frau im Dorf Mikladalur auf der Insel Kalsoy

© Miroslav Liska/123RF