Geposted 04.09.2017

#Kultur #Frankreich

Plädoyer für das Städtchen Versailles

Eine halbe Stunde mit dem RER C von Paris aus, und Sie treten ein in eine andere Welt. Noch nicht in die des Sonnenkönigs (dafür müssen Sie ab dem Bahnhof noch zehn Minuten extra laufen), aber in die Welt einer eleganten Provinzstadt, in keinster Weise lässig. "Versailles, dieser große Name, sanft und wie stehen geblieben in der Zeit". Doch die Einwohner des Städtchens haben davon nur die Sanftheit und die Ruhe behalten, gut eingebaut in ihren Alltag.

Wandeln auf königlichen Umwegen in Versailles

© lachris77/123RF

Ihr erster Reflex ist bestimmt, nach rechts in Richtung des monumentalen Architekturwunders abzubiegen, das bei der UNESCO als Weltkulturerbe eingetragen ist. Doch wenn Sie bereit sind, sich das Dessert bis zum Schluss aufzuheben, bietet die von Touristenbussen häufig vernachlässigte Stadt sehr charmante Umwege an.

Gässchen laden zum Flanieren und Bummeln ein

©Philippe Halle/123RF

Im Norden in Richtung des Quartiers Notre Dame, mit seinem Markt, seiner Kirche und der sehr lebhaften Rue de Paroisse: Hier haben Sie den optimalen Ort für eine Mittagspause gefunden. Um die Einkaufsstraße herum stillen reihenweise Restaurants, Händler und Bäckereien jeden Durst und befriedigen jeglichen Appetit. Vegetarisch, fleischhaltig, mit Fisch, bretonisch und italienisch, alles was das Herz begehrt (und direkt dahinter verlockt das Antiquariatenviertel zu hübschen Spaziergängen in seinen Gässchen und überdachten Passagen). Damit Sie für Ihre Sünden (Boulangerie Julien, Salon de thé-traiteur Galupeau, Maje, Sephora, Cie,..) Abbitte leisten können, führt die Rue de Paroisse praktischerweise direkt auf Notre-Dame zu. Im Register der klassizistischen Kirche, gebaut von Mansart, wurden alle Taufen, Hochzeiten, und Todesfälle der Königsfamilie eingetragen. Schließlich gelangen Sie auf den Place d'Armes, gegenüber vom Schloss Versailles, der mit den Fassaden seiner Grandes Écuries besticht. Dort werden an manchen Wochenenden Poesie-Events ausgerichtet.

Saint-Louis

© Leonid Andronov/123RF

Im Süden enthüllt das Quartier Saint Louis eine unauffälligere Seite von Versailles: Geometrisch angeordnete Behausungen mit ihren überdimensionalen Dächern zeugen von einer anderen Seite urbaner Einzigartigkeit. Im achtzehnten Jahrhundert waren die Gebäude ursprünglich dafür gedacht, verschiedene Märkte zu beherbergen, wurden dann aber von den Händlern in Einzelhandelsgeschäfte mit Wohnungen umgewandelt.

Geduckte Häuser mit tiefen Dächern - die alten Markthallen

© Philippe Halle/123rf

Die Gässchen von Vieux Versailles erinnern an die berühmte Vergangenheit dieses Viertels, in dem der Ballhausschwur geleistet wurde. Genauso wie die Kirche Saint-Louis, ein hübsches Stück Architektur, bereits die Eröffnungsprozession der Generalständeversammlung miterlebt hat. Gegenüber von Saint-Louis beschenkt der königliche Gemüsegarten, vom Architekten La Quintine im Auftrag von Louis XIV entworfene, heutzutage Touristen und Anwohner mit seiner reichen Ernte (130 verschiedene Apfelsorten, der ungarische blaue Riesenkürbis, Spaghettizucchini, und jede Menge andere erstaunliche Gemüsesorten). Selbst ohne Appetit deckt sich der wie ein französischer Blumengarten angelegte Gemüsegarten jede Saison wie von selbst.

Und nun auf ins Schloss! Mischen Sie sich unter die dichte und in allen Sprachen sprechende Menschenmenge, die auf insgesamt 43 Kilometern Allee und 67 121 Quadratkilometern Schlossfläche flaniert, lassen Sie sich auf dem Kanal in einem Boot etwas hin und her schaukeln, träumen Sie unter den Orangenbäumen und machen Sie zum Schluss ein Selfie auf der Marmorterrasse Grand Trianon. "Es ist kein Palast, sondern eine ganze Stadt!", rief schon Charles Perrault aus.