Geposted 15.05.2017 (Bearbeitet am 19.05.2017)

#Gesellschaft #Tunesien

Die Lotusinsel

Von den Römern, die hier ihre Stützpunkte errichtet haben; über zu den Karthagern, welche ausschweifende Feste zelebrierten; bis hin zu Odysseus, der dem Rausch der verführerischen Lotusfrüchte einfach nicht widerstehen konnte; die Lotusinsel versteht es seit Jahrhunderten alle in ihren Bann zu ziehen. Sie fragen sich nun wahrscheinlich, warum Sie noch nie von dieser magischen Lotusinsel gehört haben und warum Sie auf keiner Karte zu finden ist. Nun, dieses Geheimnis kann ich für Sie lüften.

Djerba

© Giuseppe Masci/123RF

Die Lotusinsel, auch bekannt aus dem Homerischen Epos Odyssee, nennt man heutzutage Insel der Träume oder einfach Djerba. Die flache Insel, die an der Ostküste Tunesiens im Golf von Gabès liegt, hat sich in den letzten Jahren zu einer populären Reisedestination entwickelt und zieht jährlich zahlreiche Touristen an. Besonders beliebt sind die unzähligen Wassersportmöglichkeiten, langen Sandstrände und die allzu berühmten Piratenfahrten auf die Flamingo-Halbinsel Ras Errmal.

Obwohl die Insel derart Ansehen bei den Massen errungen hat, beschränken sich doch die Meisten auf die Hotelanlagen oder schauen hie und da mal bei den Märkten vorbei, ohne jemals zur Seele dieses mediterranen Juwels durchzudringen - den Menschen.

Djerba, reich an Geschichte und Kultur, wurde im Laufe der Zeit geprägt von der Wende der Ereignisse. Aberglaube und sagenumwobene Legenden kreisen noch bis heute in der djerbianischen Gesellschaft. Die Nachfahren der Lotosfresser haben starke Wurzeln zu ihrer Vergangenheit, was zu - für Außenstehende unergründlichem - Mystizismus und Volksglaube führt. Folgend finden Sie einige der bedeutendsten kulturell anerkannten Mystizismen in dem ehemaligen Byzantinischen Reich.

Aberglaube dominiert die vorherrschende Weltanschauung der in erster Linie berberischen Bevölkerung. Unglück auf Grund von Eifersucht und der "Böse Blick" sind volkstümlich Gegenstand großer Furcht in Djerba sowie in ganz Tunesien. Der Begriff "Böse Blick" verkörpert die Auffassung, dass durch den Blick eines Menschen, ein anderer Mensch Unheil erleiden oder zu Schaden kommen kann. Bekannt war dieser Glaube an eine Form des Schadenzaubers schon in Mesopotamien und im Alten Ägypten.

Die Auslöser der Furcht sind zahlreich. Manche fürchten sich vor gewissen Tagen oder Zahlen: Der Mittwoch z.B. wird generell als verhängnisvoller Tag betrachtet, an dem man nichts Wichtiges unternehmen oder planen sollte. Um sich gegen ein schlechtes Los oder negative Einflüsse zu wappnen, werden die Zahl fünf und ihre Ableitungen ausgesprochen (Khamsa w Khmis). Daher erfreut sich die Hand Fatimas auch so großer Beliebtheit.

Unzählige Überzeugungen finden ihre Quelle auch bei Lebensmitteln. Der Fisch wird z.B. traditionell als Glücksbringer verwendet. Beinahe automatisch bekommen Säuglinge einen kleinen Fischanhänger an ihre Kleidung geheftet oder um ihren Nacken gehängt. Das Brot wird sogar als heilig betrachtet. Niemals werden Sie ein Stück Brot im Mülleimer oder auf dem Boden finden. Selbst wenn man das Brot nicht aufgebraucht hat, wird es wiederverwendet oder an einem sauberen Ort, vorzugsweise irgendwo in der Höhe, aufbewahrt. So können ein Tier oder eine andere Person noch Nutzen daraus ziehen. Den Geschichten zufolge, soll man, wenn man lange den Mond beobachtet, darin eine Frau sehen, die an den Wimpern aufgehängt würde, weil man ihr Kind mit einem geklauten Stück Brot erwischt hat.

Mythen und Legenden sind oft das Ergebnis von Volksweisheiten, um die Ehre und den Frieden der Familie zu bewahren. Geschichten von wunderschönen weiblichen Geistern werden erzählt, die ihre Opfer bezirzen und sie anschließend entführen nur um sie Tage später ohne Erinnerung zurückzubringen. Ob das nur eine elegante Methode ist die Abwesenheit von Hausausreißern zu erklären? Man weiß es nicht.

Da es oft so ist, dass viele Ehemänner weit weg von ihren Familien leben, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wird sich erzählt, dass ein Fötus mehrere Jahre im Unterleib der Mutter überleben kann, darauf wartend bis sich die Umstände verbessern. Darüber hinaus glaubt man, dass die Seelen der Verstorbenen während der Nacht und während den heißesten Tagesstunden draußen lauern. Deshalb erklärt man den Kindern während dieser Zeit nicht das Haus zu verlassen, ansonsten fängt sie die alte böse Hexe Azouzat El Gaila und frisst sie.

Wenn Sie nun auf das Geheimnis der sagenumwobenen Lotusfrüchte warten, muss ich Sie leider enttäuschen. Das Dornengewächs kennt man heute unter einem anderen Namen und wurde systematisch von der Regierung zerstört. Vereinzelte Exemplare existieren noch in verborgenen Winkeln. Nur wenige Eingeweihte kennen heutzutage noch die Geschichten von früher und wissen, was es mit den magischen Pflanzen auf sich hat.