Geposted 02.10.2017

#Politik #Türkei

Reiseboykott - Muss das wirklich sein?

Die Türkei war 2017 bestimmt das umstrittenste Reiseziel für viele Deutsche. Viele beschlossen das Reiseziel zu vermeiden, es zu boykottieren. Doch erreicht man damit wirklich die Richtigen oder schadet man nur denen, die es ohnehin schon schwer haben?

Wenn die Liegen leer bleiben

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Generell gilt Urlaubsboykott ist kein nachhaltiges und sinnvolles Mittel gegen ein autokratisches System. Um nachhaltig etwas zu bewirken und Politik zu lenken, sollte man sich politisch engagieren und eine Konfrontation suchen. Der Weg nicht mehr in das Land einzureisen ist simpel, büßen müssen dafür aber die Falschen. Zudem begünstig man somit den Weg in die Abschottung eines Landes. Sicherlich soll dies aber nicht zu Reisen in Krisengebiete oder Kriegsgebiete anregen, sondern eher dazu anregen, wie man mit zweifelhaften Ländern wie der Türkei, China, USA und Thailand umgehen sollte.

Um etwas an der Situation zu ändern, muss der Dialog zu den Ländern erhalten bleiben, nicht nur auf diplomatischer Ebene sondern auch zwischen Einheimischen und Urlaubern. Denn die Abgrenzung, wie es beispielsweise Nordkorea und andere asiatische Staaten versuchen, resultiert früher oder später in einer größeren Gefahr, als es ein Urlaub für die Menschenrechte wäre. Aber Vorsicht wir versuchen nicht, Sie von einem Urlaub in einem menschenverachtenden Regime zu überzeugen, sondern wollen versuchen Ihnen zu erklären, dass Sie eben auch mit einem einfachen Dialog ein Zeichen setzten können. Außerdem ist so ein interkultureller Dialog auch hilfreich um Vorurteile nachhaltig abzubauen. Die Menschen aus Ihrem Urlaubsland denken Sie seien Nazis wegen innerpolitischer Propaganda? Überzeugen Sie sie doch von unserer Offenheit und Toleranz, anstatt diese Menschen in ihren Vorurteilen zu lassen. Das Meiste über Land und Leute lernt man eben nur im Austausch.

Boykott oder Interaktion?

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Erstaunlich ist wohl auch, dass viele Reisende mit dem mangelnden demokratischen Verständnis der Einheimischen argumentieren, obwohl eine Mehrheit der Einwohner selbst Opfer von der Staatsführung werden. Wie schon erwähnt, in der Türkei hat kein Küstenort mehrheitlich pro Erdogan gestimmt. In Frankreich beispielsweise haben überwiegend alle Urlauberregionen im Süden einheitlich überwiegend pro Front National, also pro nationalistisch gestimmt. Gleiches gilt wohl auch für die Insel Phuket in Thailand, denn nur wenige wissen, dass hier ein Putschist regiert, den sogar Amnesty International auf der roten Liste führt. Des Weiteren scheint es auch wenige Menschen zu interessieren beziehungsweise zu schockieren, dass Amerika in Guantanamo Gefangene foltert. Oder das beispielsweise die Japaner mehrere Wale pro Jahr töten.

Es gilt als erwiesen, dass die meisten Küstenregionen der Türkei gegen das umstrittene Referendum im April gestimmt haben. Aber dennoch sind die Touristenzahlen Deutscher Urlauber drastisch gesunken, sodass in vielen Urlauberhochburgen jetzt gähnende Leere herrscht statt heiterem Treiben. Selbstverständlich ist es wichtig sich gegen die Politik Erdogans zu wenden und ein Zeichen im Sinne der Pressefreiheit und demokratischer Werte zu setzten. Allerdings muss man sich fragen, wem man damit schadet. Kommt ein Reiseboykott wirklich bei den Machthabern an oder "bestrafft" man damit das arbeitende Volk? Ganz deutlich muss man hier sagen, dass ein Reiseboykott die ohnehin zum Teil ärmere Landbevölkerung trifft. Kleine Kiosks, Imbissbuden und Taxiunternehmer mangelt es durch die fehlenden Touristenzahlen deutlich an Umsatz, trotzdem müssen sie zum Teil Familien ernähren oder zumindest für sich selbst sorgen. Generell können ausbleibende Urlauber kein politisches Instrument sein. Sanktionen und Folgen für ein politisches Fehlverhalten müssen Staaten beschließen und nicht einzelne Reisende. Denn um ein Land nachhaltig zu bestrafen, muss man es wirtschaftlich boykottieren, damit gesichert ist, dass auch die Richtigen "getroffen" werden und nicht willkürlich Zivilisten.