Geposted 25.09.2015

#Ausgefallenes #Bosnien-Herzegowina

Bürgerkriegstour durch Sarajevo soll an unglückliche Zeiten erinnern

SARAJEVO - Vor zwanzig Jahren endete die dreijährige Belagerung Sarajevos. Doch die bosnisch-herzegowinische Hauptstadt und ihre Einwohner haben Spuren davon getragen. Heute sollen geführte Touren an die damaligen Geschehnisse erinnern.

Es wurde wahllos auf Passanten gefeuert. Es war ein Todestrip für jeden, der sich zur Suche nach Wasser und Medikamenten auf die Sniper Alley wagte. Die "Ulica Zmaja od Bosne" (dt.: Straße des bosnischen Drachen), wie die Sniper Alley in Sarajevo mit richtigem Namen heißt, wurde von 1992 bis 1995 von serbischen und anderen Paramilitärs belagert. Während dieser Zeit wurden 225 Personen von Heckenschützen erschossen und über tausend verwundet.

Mohammed Alzoba ist ein stämmiger Mann, der versucht interessierten Touristen die unglückliche Zeit näherzubringen. "Times of Misfortune" heißt daher die von ihm angebotene Tour. Während dieser erzählt er von dem Schicksal der Stadt und führt einen zu den Schauplätzen des Bosnienkrieges. Viele Gebäude sind auch heute noch von Einschusslöchern übersät, mehrere Denkmäler und Friedhöfe wurden in Folge des Krieges errichtet und Fotoausstellungen beschäftigen sich mit ethnischen Säuberungen sowie dem Massaker von Srebrencia in Bosnien und Herzegowina.

Der aus dem Libanon stammende Alzoba hat den Krieg nicht direkt mitbekommen, da er erst als Jugendlicher nach Sarajevo kam. Doch das gebe ihm ein wenig Distanz. "Das hilft mir, eine halbwegs neutrale Perspektive einzunehmen", erklärt der 30-Jährige. Sein Schwiegervater sei damals bosnischer Soldat gewesen und rede ständig vom Krieg. "Und mein Vermieter erzählt mir, dass zwölf Leute ein Gewehr nutzten. Alles war knapp: Waffen, Nahrung, Medikamente."

Viele Einwohner verdankten ihr Überleben damals der städtischen Brauerei. Diese verfügte über eine eigene Wasserquelle. "Statt Bier wurde Wasser verteilt", sagt Alzoba, "aber dafür mussten es die Leute erst mal über die Sniper Alley schaffen."

Die von Alzoba angebotene Tour dauert insgesamt drei Stunden. Zu Beginn wird die Gruppe mit dem Bus auf eine Anhöhe gefahren, die einen optimalen Blick über die Stadt bietet. Dort und im weiteren Verlauf bekommen die Teilnehmer Ruinen als auch wieder aufgebaute Häuser zu sehen. Der nächste Halt ist der Sarajevo-Tunnel: Dieser wurde mit Spitzhacke und Schaufel gegraben und diente den Einwohnern zu Flucht. Sie gelangten über ihn in einen nicht belagerten Vorort, in dem sie sich mit Nahrung, Medikamenten und Waffen versorgen konnten.

Der Tunnel barg eine große Gefahr in sich

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Mittlerweile ist der Tunnel nur noch 20 Meter lang. Er ist eine einfache Konstruktion aus Brettern und Holzpfählen. Er ist sehr niedrig, so dass man seinen Kopf einziehen muss. Und wenn ihn heute jemand der Neugierigen durchquert und nach wenigen Metern über Rückenschmerzen klagt, dann ist das ein wirkliches Luxusproblem im Vergleich zu früher. Vor 20 Jahren führte hier nämlich auch ein Stromkabel hindurch und gleichzeitig tropfte Wasser durch die Wände aus Erde: der Totenkopf auf dem Schild an der Wand erklärt den Rest.

Kriegsschauplätze seien nicht nur in Bosnien ein beliebtes Ausflugsziel. Unter "Dark Tourism", wie Wissenschaftler es nennen, fallen unter anderem auch Konzentrationslager, Verbrechens- oder Unglücksorte. Ob es sich dabei bloß um Voyeurismus oder einen Beitrag der Bildung handelt, sei umstritten. "Der Bosnienkrieg ist der erste Konflikt gewesen, den ich als Kind bewusst mitbekommen habe", erzählt Sarah von Brachel, eine 28-jährige Psychologin aus Berlin. Sie wollte mit erfahren und fuhr daher auf dem Rückweg aus ihrem Urlaub in Kroatien in Sarajevo vorbei.

Quellen: Spiegel